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Stress durch Keratokonus? ....oder Keratokonus durch Stress?


Der Keratokonus-Stress-Kreislauf

Stress hat an vielen Stellen einen großen Einfluss auf den Körper - auf das Immunsystem - auf das Hormonsystem - auf das neurologische System (Sympathikus / Parasympathikus) - auf den Magen-Darm-Trakt und vieles mehr. So kann Stress bei Keratokonus auf vielfältige Weise einen Einfluss auf den Körper nehmen. Dies geht sogar soweit, dass der Keratokonus durch indirekte Wirkung sogar sich selbst verstärken kann. Das kann sich zu einem "Teufelskreis" ausweiten: Keratokonus führt zu Stress - der Stress führt über Umwege (z.B. Hormone, Immunsystem) zu stärkerem Keratokonus.

Diesen ungesunden Kreislauf gilt es zu durchbrechen.


Diagnose-Stress

Bei vielen Betroffenen entsteht der Stress durch die Diagnose und die zu Beginn der Erkrankung unvollständige Informationen über mögliche Auswirkungen und die mögliche Eintwicklung. Normale Augenärzte haben bei dieser seltenen Erkrankung viel zu wenige Fälle im normalen Praxisalltag, als dass sie bei Keratokonus wenig mehr als ein paar Stichworte an Wissen weitergeben könnten.

Wenn man dann vielleicht auf die Idee kommt, sich in jungen Jahren selbst im Internet über Keratokonus informieren, dann wird man/frau erstmal mit den überwiegend schweren und schwersten Fällen konfrontiert. Im Internet treffen sich natürlich hauptsächlich diejenigen, die auf Grund individueller Variabilität der Reaktionen des Körpers, mit den üblichen Methoden keine Erfolge erzielen.

Die überwiegende Zahl der leichten Fälle bei Keratokonus, also ungefähr 70-90% aller Betroffenen, sind überhaupt nicht im Internet "unterwegs".

Eine Überweisung an eine Augenklinik mit einer speziellen Keratokonus-Abteilung wäre hier vielleicht der bessere Weg, um sich konkret über den eigenen Fall und mögliche Entwicklungen zu informieren. Die Ärzte in einer speziellen Keratokonus-Abteilung können viel besser die aktuelle Situation und die mögliche Entwicklung einschätzen. Das wichtigste bei Keratokonus ist es den aktuellen Status festzustellen (welches Keratokonus-Stadium) und in welchem Zeitraum sich der Keratokonus weiterentwickelt oder auch nicht.

Eine unaufgeregte Information über die Erkrankung und die realistische Einschätzung der möglichen Entwicklung können den Diagnose-Stress durchaus reduzieren.


Die Voraussetzung zur Stress-Reduktion ist es, eine Klinik, eine(n) Arzt/Ärztin zu finden, die umfassend auf der Basis einer langjährigen Erfahrung relativ neutral beraten kann. Das mit der neutralen Beratung ist schon schwierig, da alle Geld verdienen wollen. Insbesondere Institute, die hauptsächlich mit einer speziellen Methode Geld verdienen, werden diese natürlich auch versuchen zu verkaufen. Das kann in einer großen Universitätsaugenklinik, die alle Arten von Behandlung anbietet, anders sein. Dennoch sollte man vor jeder Operation auf jeden Fall eine Zweitmeinung einholen. Auch wenn das zusätzlich Zeit und Geld kostet. Es ist besser hier zu investieren, als später sich den Rest des Lebens mit einer falschen Entscheidung herumärgern zu müssen.


Stress bei der Auswahl der Behandlung

Wie wählt man die "richtige" Behandlung aus?

....Will der Arzt nur an der angebotenen Behandlung verdienen? Soll hier nur die Zahl der behandelten Fälle in der Praxis / der Abteilung erhöht werden, damit die unerfahrenen Ärzte mehr Erfahrungen sammeln können? Arbeitet die Praxis unrentabel?.....soll hier nur das Geschäftsergebnis verbessert werden?

Es ist schwierig! Wie kann man als Patient herausfinden, was den Arzt zu einer bestimmten Behandlungsart veranlasst? Die einzige sinnvolle Möglichkeit ist es, sich ein möglichst genaues Bild vom Umfeld der vorgeschlagenen Behandlung zu machen:

  • Halten auch andere Ärzte (Zweitmeinung) diese Behandlung für medizinisch notwendig? Ist es eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse oder wird die Behandlung privat bezahlt. Wenn die Behandlung privat bezahlt wird, kann man versuchen eine Variante zu finden, die von der gesesetzlichen Krankenkasse übernommen wird. Wenn man keine Variante der gesetzlichen Krankenversicherung findet, kann man fragen und überlegen, warum das so ist.

Man muss sich im "Gesundheitswesen" immer darüber im Klaren sein, dass Ärzte nur an Kranken verdienen. Wenn ein Patient eine Behandlung vielleicht noch 2-3 Jahre aufschiebt, dann verdient der Arzt oder die Klinik in dieser Zeit nichts. Dennoch muss man sich z.B. bei Progression des Keratokonus für eine Variante der Vernetzungsbehandlung entscheiden.

Es ist nicht einfach und hier kann man keine Empfehlung geben. Jeder muss diese Entscheidung für sich allein treffen - das kann einem niemand abnehmen.


Der Stress durch Unzufriedenheit mit dem Ergebnis der Behandlung

Eine Unzufriedenheit mit der Behandlung findet man im Internet relativ häufig. Das ist ja auch klar, denn die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen die mit dem Ergebnis zufrieden sind, sind ja gar nicht im Internet unterwegs. So kann man schnell einen falschen Eindruck bekommen.

Jeder Körper reagiert anders auf eine Behandlung. Auch wenn schon 999 Patienten die eine oder andere Behandlung gut vertragen haben, gibt es immer mal wieder ein paar Fälle, die anders reagieren. Das kann z.B. das nicht Funktionieren einer Vernetzungsbehandlung sein, bei der sofort oder nach kurzer Zeit der Keratokonus wieder weiter voranschreitet. Oder eine Voll- / Teiltransplantation die nach kurzer Zeit wieder einen Keratokonus entwickelt, obwohl das bei fast allen anderen Behandelten Fällen nicht passiert. Oder das Transplantat wird vom Körper abgestoßen, es entwickeln sich Entzündungen im Auge oder andere Schwierigkeiten.

In den meisten Fällen mit Schwierigkeiten nach dem Eingriff, ist der Umgang mit der Erkrankung nach der Behandlung bei vielen Betroffenen nicht dem Problem angemessen. Eine Vernetzung oder eine Transplantation sind keine leichten Eingriffe; es wird damit kein "Schalter" umgelegt und alles ist danach wieder gut. Möglicherweise hört man den Ärzten nicht richtig zu; möglicherweise vermitteln einige Ärzte auch ein zu optimistisches Bild einer Behandlung.

Bei den schwierigen Fällen, z.B. mit Unverträglichkeiten oder individuell abweichendem Stoffwechsel, kann es nach einer Transplantation 1-2 Jahre dauern; nach einer Vernetzung 6-18 Monate, bis nach der Behandlung wieder Stabilität im Auge eintritt. Eine solche - möglicherweise - schlechte Entwicklung muss vorab mit eingeplant werden; daher sollten mittlel oder schwer Betroffene nie beide Augen gleichzeitig behandeln lassen.

Der Stress, der duch die Unzufriedenheit entsteht, kann tatsächlich wieder Auswirkungen auf den Heilungsprozess und die Entwicklung des Keratokonus haben.


Allgemeiner Stress duch innere und äußere Umstände

Viele Untersuchungen, Studien und Erfahrungsberichte von Betroffenen haben gezeigt, dass finanzielle Not, Depressionen und Angstzustände bei Betroffenen mit starken Seheinschränkungen häufiger vorkommen, als in der Normalbevölkerung.

Dabei ist es im Grunde nicht überraschend, das die Kombination von u.a.

  • erhöhtem zeitlichen und finanziellem Aufwand
  • Verlust von Freunden, bzw. sich immer wieder erklären müssen
  • Schwierigkeiten am Arbeitsplatz (Ausbildung, Schule, Beruf)
  • der oft vorherrschenden Orientierungslosigkeit im medizinischen Informations-Chaos und
  • die sich aus der schlechten Sicht ergebenden Einschränkungen in Beruf und Freizeit
  • ....und einiges mehr

oft zu Stress und Depressionen führen.

Dabei kann leicht ein Teufelskreis entstehen. Durch die Umstände bei Keratokonus entsteht auf vielen Ebenen Stress. Dieser Stress wirkt sich wiederum negativ auf die Entwicklung des Keratokonus aus. Damit wird die Sicht wieder schlechter und der Stress verstärkt sich....


Langfristig ist es für einen stabilen Keratokonus wichtig in einer stabilen, möglichst stressfreien Umgebung mit Familie, Freunden, Arbeitskollegen und Bekannten zu leben; Entscheidungen für oder gegen Behandlungen in Ruhe und mit guter Informationsbasis zu treffen.


Ärzte und Kliniken für psychologische Fragen sensibilisieren

Betroffene reagieren völlig unterschiedlich auf die mögliche Diagnose "Keratokonus". Bei den meisten Betroffenen ist es ja möglich mit Brille(n) und einfachen Kontaktlinsen ein Leben lang zurecht zu kommen. Dieser Teil der Betroffenen kann kann sagen "Na, was soll´s - dann trage ich halt Kontaktlinsen oder Brille(n)" - da wird es keinen dollen Stress durch Keratokonus geben.

  • Es gibt natürlich auch Betroffene, die es grundsätzlich ablehnen Brille oder Kontaktlinsen zu tragen....?vielleicht aus ästhetischen Gründen?... Die müssen irgendwann lernen, die leichte Einschränkung einfach zu aktzeptieren - da jeder Eingriff die Sicht nur schlechter machen würde.

Bei den wenigen stark Betroffenen sieht das anders aus. Hier entstehen große Unsicherheiten. Es stehen der mögliche Verlust der geplanten Ausbildung, des geplanten Studiums, des Arbeitsplatzes im Raum. Dann gilt es eine der wenigen für den eigenen Fall am besten geeigneten Klinik zu finden, was teilweise mit höhem zeitlichem und finanziellem Aufwand möglich ist.

Ärzte ignorieren oft die psychischen Aspekte, weil sie dafür nicht ausgebildet werden. Daher ist es bei schweren Fällen wichtig, sich nicht nur kompetente augenärztliche Hilfe zu suchen, sondern - falls nötig - auch ebenso kompetente psychologische Unterstützung.

Diese findet sich eher bei den Beratungsstellen für Sehbehinderte und Blinde. Das passt zwar meistens nicht so doll zu Keratokonus, ist aber immer noch viel besser als gar keine Unterstützung in dieser Hinsicht.


Zu bedenken bei psychologischer Beratung oder Behandlung ist....:

In bestimmten Fällen ist eine psychologische Beratung oder Behandlung notwendig. So zum Beispiel bei jungen Menschen, die einen starken Keratokonus entwickeln, und dabei zum ersten Mal im Leben sehr schnell lernen müssen mit einer chronischen Erkrankung zurecht zu kommen. Oder es wird Hilfe benötigt bei der Tatsache, dass die Sicht für den Rest des Lebens nicht mehr bei 100% liegen kann - dabei kann eine Psychotherapie oder eine psychologische Beratung sehr helfen.

Unabhängig von der Tatsache das im Verlauf des Lebens so gut wie jede(r) einmal in einen psychischen Notstand kommt, in dem professionelle Hilfe notwendig ist, gibt es dennoch nur wenig gesellschaftliche Akzeptanz. Insbesondere in Personalabteilungen wird eher nach konservativen Maßstäben entschieden.


"Burnout" wird besser akzeptiert als "Depression"; obwohl es eine ist.


Zum Beispiel gibt ein bei medizinischen Prüfung zur Aufnahme in die Beamtenlaufbahn oder bei der Prüfung einer Beförderung einen Teil, bei dem nach psychischen Vorerkrankungen gefragt wird; persönlich und überhaupt in der Familie. Auch bei privaten Krankenversicherungen; ggf. auch Renten- oder Unfallversicherungen wird dieser Punkt angefragt. Insbesondere bei freiberuflich Tätigen (Sänger, Musiker, Schauspieler, etc.) und Selbständigen sind die Fragen nach dieser Art von Vorerkrankungen, auch wenn sie längst erfolgreich abgeschlossen wurden, ein Bestandteil der Risikoprüfung.

.....oft wird eine, möglicherweise vor vielen Jahren erfolgreich abgeschlossene, psychische Vorerkrankung nicht direkt als Ausschlusskriterium genannt. Mann/Frau wird halt einfach nicht in die Versicherung oder den Arbeitsplatz aufgenommen oder bekommt die Beförderung nicht.

Wer die Mittel hat, sich als Selbstzahler diese Behandlung / Beratung zu holen, sollte in jungen Jahren oder zu Beginn der beruflichen Karriere darüber nachdenken, dies als Investition in die Zukunft zu sehen. Bei Kindern und Jugendlichen, die gesetzlich über die Eltern mitversichert sind, finden sich möglicherweise in Absprache mit der Klinik oder dem behandelnden Arzt Wege die offizielle Dokumentation zu verhindern.

.....schade eigentlich. Mann/Frau muss abwägen, was wichtiger ist: Entweder ohne Behandlung sich weiter herumzuquälen und dafür keine beruflichen Nachteile haben ODER behandeln lassen und dafür möglicherweise beruflich Nachteile riskieren. Schwierige Situation insbesondere bei Kindern und Jugendlichen; bei Rentnern ist es dann wieder egal.


Was kann man tun?

Bei Keratokonus, kann es sinnvoll sein sich nicht nur auf die rein "mechanischen" medizinischen Aspekte der Erkrankung zu konzentrieren.

Der Umgang mit der Erkrankung, die allgemeine Angst vor der Zukunft, die Sorge vor der Ungewissheit in Schule, Ausbildung oder Beruf, das Unverständniss, mit dem Bekannte, Freunde und Familie auf die Erkrankung reagieren - all das und einiges mehr - macht Stress. Auch allein die Tatsache in jungen Jahren mit einer chronischen Krankheit konfrontiert zu werden, bringt manche Menschen völlig aus dem Gleichgewicht.

Die Beratungsstellen für Blinde und Sehbehinderte oder die Sozialverbände können hier helfen. Ein Keratokonus ist nicht wie ein Arm- oder Beinbruch - Keratokonus heilt nicht mehr; egal was gemacht wird. Es werden bei jeder Behandlung gewisse Einschränkungen zurück bleiben.

Bei stark Betrofenen kann die psychologische Hilfe durch den Stress bei Keratokonus genauso wichtig sein, wie die reine medizinische Beratung oder Behandlung.